Das Rotatoren­manschetten-Syndrom an der Schulter

Der Schlüssel zu einem gesunden Schultergelenk

Der Riß der Rotatorenmanschette ist eine typische Verletzung im mittleren und höheren Lebensalter.

Die Rotatorenmanschette ist der Schlüssel zu einem gesunden Schultergelenk. Die Sehnen sind allerdings einem erheblichen Verschleiß ausgesetzt. Der Riss der Rotatorenmanschette ist eine sehr schmerzhafte Verletzung. Eine gerissene Rotatorenmanschette führt zu einer geschwächten Schulter. Die meisten Patienten mit einer Ruptur sind jenseits des 50. Lebensjahres. Allerdings können Rupturen in jedem Alter auftreten.

Ein wenig Anatomie:
Das Schultergelenk besteht aus drei Knochen: dem Schulterblatt (Skapula), dem Oberarm (Humerus) und dem Schlüsselbein (Klavikula). Ein Muskelmantel mit der Bezeichnung „Rotatorenmanschette“ verbindet den Oberarm mit dem Schulterblatt. Die Rotatorenmanschette besteht aus den Sehnen der vier Muskeln: M. supraspinatus, M. infraspinatus, M. teres minor und M. subscapularis und hilft den Arm zu heben und zu drehen. Beim Anheben des Arms zieht die Rotatorenmanschette den Oberarmkopf eng an die Schultergelenkspfanne (Glenoid).

Den oberen Abschnitt des Schulterblattes bildet das Schulterdach. Es wird Acromion genannt. Ein Schleimbeutel (Bursa) liegt zwischen der Rotatorenmanschette und dem Acromion. Ein Schleimbeutel ist ein mit Flüssigkeit gefüllter Sack, der die Reibung zwischen zwei beweglichen Teilen reduziert. Die Bursa schützt demnach die Rotatorenmanschette davor, gegen das Acromion zu reiben.

Ursachen des Rotatorenmanschetten-Syndroms

Innerhalb der Rotatorenmanschette gibt es Bereiche, die nur wenig durchblutet sind. Je besser die Blutversorgung in einem Gewebe ist, desto besser und schneller kann es sich selbst regenerieren.

Selbst Bagatellbewegungen können zu einem Riß der Rotatorenmanschette führen.

Die schlechte Durchblutung einiger Bereiche der Rotatorenmanschette macht sie nun besonders anfällig für degenerative Umbauprozesse. Die altersbedingte Degeneration erklärt auch, warum die Rotatorenmanschette bevorzugt im höheren Lebensalter reißt. Das Problem der Degeneration kann durch sich ständig wiederholende Schulterbewegungen verschärft werden. Neben sportlichen und beruflichen Tätigkeiten können auch banale Alltagsaktivitäten, wie Fensterputzen, Auto waschen, Anstreichen und vieles mehr, die Rotatorenmanschette ermüden und verschleißen.

Übermäßige Kraftanstrengungen können eine degenerativ vorgeschädigte Rotatorenmanschette zum Zerreißen bringen. Die Kräfte können beim Versuch, einen schweren Gegenstand aufzufangen oder einen schweren Gegenstand mit ausgestreckten Armen anzuheben, auftreten. Gelegentlich genügt auch ein Sturz direkt auf die Schulter. Manchmal sind Rupturen der Rotatorenmanschette schmerzhaft, manchmal jedoch nicht. Untersuchungen haben gezeigt, dass bis zu 40% der Menschen milde Rotatorenmanschetten-Rupturen haben, ohne es zu wissen.

Der typische Patient mit einer Rotatorenmanschetten-Ruptur ist über 50 und hatte schon einige Zeit Probleme mit seiner Schulter. Beim Versuch, einen schweren Gegenstand anzuheben, reißt die Rotatorenmanschette. Nach der Verletzung kann der Arm nicht mehr gehoben werden. Allerdings kann die Rotatorenmanschette auch bei jungen Menschen rupturieren. Überbelastung oder ein direktes Trauma können in jedem Alter zu Rotatorenmanschetten-Rupturen führen.

Symptome und Diagnostik

Rotatorenmanschetten-Rupturen verursachen Schmerzen und ein Schwächegefühl in der betroffenen Schulter. Recht häufig kann die Rotatorenmanschette auch nur teilweise einreißen.
Dann ist die Schulter zwar schmerzhaft, man kann den Arm aber immer noch im normalen Ausmaß bewegen. Allgemein gesagt, verursacht ein größerer Riss auch eine größere Schwäche.

Bei einer kompletten Ruptur ist es nicht möglich, den Arm normal zu bewegen. In der Regel können Sie den Arm nicht ohne Hilfe seitlich anheben. Die meisten Rotatorenmanschetten-Rupturen führen zu diffusen Schmerzen in der Schulter. Manchmal verspürt man auch ein schnappendes Gefühl, wenn man den Arm bewegt. Die meisten Patienten haben Probleme, nachts aufder Schulter zu liegen.

Ihr(e) Ärztin/Arzt wird Ihre Vorgeschichte erfragen und Sie untersuchen. Bei einer kompletten Ruptur ist die Diagnose meist nicht schwierig: Während man Ihren Arm passiv frei bewegen kann, können Sie aktiv, d.h. aus eigener Kraft den Arm kaum anheben.

Kernspintomographie und Ultraschalluntersuchung helfen bei der Diagnosestellung.

Röntgenbilder werden den Riss in der Rotatorenmanschette nicht darstellen können. Ihr(e) Ärztin/Arzt wird jedoch Röntgenaufnahmen anfertigen lassen, um zu beurteilen, ob Knochensporne vorhanden sind, die das Problem verschärfen. Zudem können zusätzliche Kalkdepots in den Sehnen dargestellt werden, die gegebenenfalls zu zusätzlichen Einklemmungserscheinungen führen können (Impingement).

Mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung lässt sich die Rotatorenmanschette und eventuelle Rissbildungen übersichtlich darstellen. Allerdings gelingt mit dem Ultraschall keine Darstellung der Gelenklippe (Labrum), so dass häufig auch eine Kernspintomografie (MRT) angeordnet wird.

Konservative Therapie

Teilrupturen der Rotatorenmanschette lassen sich oft auch mit alleiniger konservativer Therapie gut behandeln. Das erste Behandlungsziel ist es, den Schmerz und die Entzündung in den Griff zu bekommen. Zunächst sollten deshalb die Schulter geschont und entzündungshemmende Medikamente eingenommen werden. Wenn sich hierdurch der Schmerz nicht in den Griff bekommen lässt, kann eine Kortisoninjektion helfen. Kortison ist ein Medikament, welches die Entzündung dämpft und den Schmerz verringert. Die Wirkung des Kortisons ist allerdings nur begrenzt.

Eine weitere effektive Maßnahme ist die Verordnung von Krankengymnastik und physikalischer Therapie.

Ihr(e) Krankengymnast(in) wird eine Vielzahl von Techniken anwenden, um die Entzündung zu bekämpfen. Dehnungsübungen, Gelenkmobilisation, manuelle Techniken und Muskelaufbau helfen, das volle Bewegungsausmaß der Schulter wieder her zu stellen. Eine Verbesserung von Kraft und Koordination in der Rotatorenmanschette sowie in der Schultergürtelmuskulatur lässt den Oberarmkopf wieder geschmeidig in der Pfanne gleiten, ohne dass die Rotatorenmanschette gegen das Acromion reibt. Nicht selten sind jedoch längere konsequente Serien erforderlich, um zu dem gewünschten Erfolg zu gelangen.

Operative Therapie

Eine komplette Rotatorenmanschetten-Ruptur wird nur mit einem Defekt ausheilen und sollte daher operiert werden, wenn die Schulter wieder ihre optimale Beweglichkeit erhalten soll. Es gibt einige Hinweise darauf, dass für bessere Ergebnisse die Rotatorenmanschetten-Ruptur innerhalb der ersten drei Monate repariert werden sollte. Teilrupturen können auch konservativ behandelt werden. Es ist durchaus gerechtfertigt, einer Teilruptur zunächst die Chance zu einer Eigenheilung zu geben. Wenn Sie jedoch mit den Schmerzen nicht zu recht kommen, oder den Arm nicht vernünftig bewegen können, sollte eine operative Therapie erwogen werden.

Es stehen verschiedene arthroskopische und offene Verfahren zur Verfügung.

Arthroskopisches Débridement

Kleinere Risse können manchmal auch durch kleinere Eingriffe behandelt werden. Operativ können mit Hilfe des Arthroskops (d.h. mittels Gelenkspiegelung) kleinere gerissene Sehnenfasern entfernt und die Rissstelle geglättet werden. Danach kann ein kleiner Riss von alleine ausheilen.

Acromioplastik

Für kleinere nicht durchgehende Risse auf der Unterseite der Rotatorenmanschette kann der Eingriff neben einem Débridement (s.o.) auch eine Acromioplastik umfassen. Dabei wird etwas Knochen von der Unterseite des Acromions arthroskopisch abgetragen, um den Druck von der Rotatorenmanschette zu nehmen. Dieses Verfahren ist einfacher, als den Sehnenriss zu nähen. Die Ergebnisse sind im Allgemeinen sehr gut. Befindet sich der Riss hingegen auf der Oberseite der Sehne, wird voraussichtlich eine Nahtversorgung erforderlich.

Sehnennähte erfordern eine etwas aufwändigere Nachbehandlung.

Arthroskopische Sehnennaht

Mit entsprechender operativer Erfahrung lassen sich hervorragende Ergebnisse mit einer arthroskopischen Naht der Rotatorenmanschette erzielen. Zunächst wird alles degenerierte Gewebe der Rotatorenmanschette entfernt. Dann wird die Ansatzfläche der Sehne auf dem Humeruskopf vorbereitet. Hierzu wird der Knochen frei präpariert und angefrischt. Danach werden Bohrlöcher gesetzt, durch die Fäden gezogen werden. Alternativ können auch so genannte Fadenanker in den Knochen eingebracht werden. Dann wird die Sehne refixiert und heilt mit der Zeit wieder am Knochen fest.

Sehnennaht in der Mini-Open Technik

Manche Ärzte(innen) bevorzugen auch die so genannte MiniOpen Technik, d.h. ein offenes Vorgehen. Hierbei wird die Sehne unter direkter Sicht gesäubert und mit Nähten am Oberarmkopf refixiert. Meist lässt sich der Mini-Open Eingriff schneller als eine arthroskopische Sehnennaht durchführen. Der Vergleich beider Methoden zeigt jeweils dieselbe Quote sehr guter Ergebnisse nach beiden Techniken.

Rehabilitation

Die Rehabilitation nach einem operativen Eingriff an der Schulter kann ein langwieriger Prozess sein. Sie werden voraussichtlich für zwei bis drei Monate krankengymnastische Übungsbehandlungen benötigen. Bis zur vollständigen Wiederherstellung können bis zu sechs Monate vergehen.

Es ist sehr wichtig, möglichst zügig einen adäquaten Bewegungsumfang des Gelenkes zu erreichen. Allerdings muss dies mit der Notwendigkeit, die heilenden Muskeln zu schützen, ausbalanciert werden.

Nach dem Eingriff wird Ihre Schulter in aller Regel mit einer Schlinge oder einem Lagerungskissen ruhig gestellt, um die Sehnennaht zu schützen. Eispackungen und Elektrotherapie helfen in den ersten Tagen gegen Schmerzen und Schwellung.

Bei der Nachbehandlung von Schulteroperationen ist Geduld und Ausdauer angezeigt.

Die Rehabilitation kann nach einer einfachen Arthroskopie recht zügig voran gehen. Die Behandlung beginnt mit Bewegungsübungen und geht dann zu aktiven Dehnungs- und Kräftigungsübungen über.

Nach einem offenen Eingriff mit Muskel- und Sehnennähten beginnt die Therapie langsamer. Erst nach etwa zwei Wochen wird mit passiven Bewegungsübungen begonnen.

Aktive Übungselemente beginnen dann ca. vier bis sechs Wochen nach dem Eingriff. Isometrische Übungen lassen die Muskulatur arbeiten ohne die Nähte zu belasten. Nach ca. 6 Wochen konzentrieren sich die Übungen auf eine Kräftigung der Rotatorenmanschette und der Schultergürtelmuskulatur. Ihr(e) Krankengymnast(in) wird Ihnen helfen, die Muskeln wieder aufzubauen, die den Oberarmkopf in der Pfanne zentrieren. Hierdurch kann Ihr Oberarm wieder glatt unter das Acromion gleiten ohne zuviel Reibung an der Rotatorenmanschette zu verursachen.