Die Schambeinentzündung (Ostitis pubis)…

… ist sehr häufig mit einem umschriebenen Knochenmarksödem in den angrenzenden Schambeinästen (Synostosis ischiopubica) vergesellschaftet. Beim Leistungssportler, vor allem bei Profi-Fußballern, ist sie am ehesten mikrotraumatisch ausgelöst – durch besondere dynamische Zug- und Scherkräfte bei starker Beugung in der Hüfte und intensive Streckung in den Knien.

Die auffällige Veränderung am Knochen darf aus radiologischer und orthopädischer Sicht nicht ausschließlich als Entzündung, Reizödem, Stressödem oder Bone bruise angesehen werden, sondern sollte als schleichender und okkulter Prozess eines Ermüdungsbruchs (okkulte Fraktur) in dem betroffenen Schambeinast bezeichnet und als solcher behandelt werden.


Zur Beurteilung des Befundes sind regelmäßige MRT-Verlaufskontrollen mit Kontrastmittel und gegebenenfalls die Knochenszintigraphie erforderlich.

Bei schwerwiegenden Fällen mit unbestimmter Heilungsdauer sollte im Zweifel zusätzlich eine Dünnschichtcomputertomographie (Knochenfenster) zum Nachweis der existierenden kortiko-spongiösen Frakturlinien,Umbauzonen und Callusbildungen durchgeführt werden.

Bei jungen Sportlern sind in der Regel diese primär nicht auf den nativen Röntgenbildern zu erkennen, erst später kommen nativ radiologische Zeichen, wie wabige Auflockerung, Kalkschatten und Callusbildung zum Vorschein.

Bei einer frühen Erkennung des Knochenbefundes durch MRT-Untersuchungen mit Kontrastmittel des Beckens ist eine sofortige und mindestens 6-wöchige Zwangspause nötig. Auch eine Bettruhe von 2 – 3 Wochen bei beidseitigem Befund ist zu erwägen.

Während dieser Zeit darf wegen der Gefahr der zu frühen Belastung und Fehleinschätzung des Betroffenen weder reduzierte Belastung noch begleitende physikalische, krankengymnastische oder medikamentöse Therapie erfolgen. Die Ausnahme ist Vitamin D3-Gabe bei nachgewiesenem Mangel.

Anderweitige Behandlungen dieses Krankheitsbildese resultieren häufig in auffällig langen Ausfallzeiten der Sportler und führen zu guter Letzt zu frustanen Verläufen, unnötigen OP-Indikationen im Bereich der Leistenregionen, bis hin zum vorzeitigen Karriereende im Leistungssport.

Bei später Erkennung des Krankheitsbildes ist die Heilungsdauer unbestimmt. Sie nimmt häufig mehrere Monate bis Jahre in Anspruch. Der Behandlungsansatz mit Bisphosphonaten, Kalzium und Vitamin D ist aus empirischer Erfahrung zum Teil gerechtfertigt. Operationen sind in der Regel nicht notwendig und eher zu vermeiden.

Die Muskulus gracilis – und Musculus adduktor longus Tenotomie in Verbindung mit Anbohren des Osteoödem kann den Heilungsprozess beschleunigen. Die chirurgische Verplattung beider Schambeinäste ist ein Risiko für die im Anschluss erhoffte uneingeschränkte Belastbarkeit im Sport.

Viele Bundesligaspieler und Amateurfußballer wie z.B. Borussia Dortmunds Mario Götze, Christian Clemens von Schalke 04, Timo Gebhart von 1.FC Nürnberg oder Karim Bellarabi von Bayer Leverkusen leiden oder litten unter unverständlich langen Ausfallzeiten dieses Krankheitsbildes.

Mario Götze hat bei der Europameisterschaft im Juni 2012 nur ein paar Minuten auf dem Spielfeld verbracht. Das ist bemerkenswert, schließlich gilt der Mittelfeldspieler doch als Deutschlands Supertalent. Trotzdem saß er nur auf der Ersatzbank. Der Grund dafür ist seineVerletzung am Schambein, die er sich im Winter 2012 zugezogen hatte und aufgrund dessen er fast die gesamte Rückrunde bei Borussia Dortmund verpasst hat.

Karim Bellarabi (Bayer Leverkusen) wurde im Dezember 2012 an der Leiste operiert und muss fünf Monate später wegen seiner Schambeinverletzung noch weiter pausieren. Ich sage bewusst Verletzung, Schambeinentzündung nennen es die meisten Spieler und auch Mediziner. Eine Entzündung ist es aus meiner Sicht bei oft spontanem Auftreten bei Leistungssportlern mit hoher Trainingsintensität nicht.

Es handelt sich nach meiner Überzeugung in vielen Fällen um einen Ermüdungsbruch in dem oft nur einseitig betroffenen vorderen Schambeinast. Diese Diagnose kann durch wöchentliche Verlaufsaufnahmen im MRT gestellt werden. In den ersten Befund-Berichten der meisten Radiologen heißt es „Reizung am Sehnenansatz, stressbedingtes Knochenmarködem, periarticuläres subchondrales Knochenmarködem in den T2 gewichteten und fettsupprimierten Sequenzen, manchmal mit Flüssigkeitsansammlung im Symphysenspalt und erfreulicherweise auch Bone bruise im Schambeinast.

Bone bruise, das muss dann aber auch richtig übersetzt und gedeutet werden: Es ist sehr häufig eine mikrotrabekuläre Fraktur im Inneren des Knochens. Diese ist im normalen Röntgenbild nicht durch einen Riss oder eine Verschiebung zu sehen. Aber: It is broken! Und diese Verletzung muss dann auch als Bruch behandelt werden.

MRT

Wir kontrollieren den Verlauf des umschriebenen Knochenmarködems wöchentlich im eigenen MRT und erkennen trotz Belastungspausen zunächst eine Verschlimmerung des Befundes. Erst nach 4-6 Wochen ist eine langsame Rückbildung zu erkennen. Bei der Wiederaufnahme der Belastung kommt es jedoch wieder zu einer sofortigen Zunahme des Ödems. Knochenmarködeme sind hinsichtlich ihres Krankheitswertes leider oft umstritten, wie zum Beispiel bereits berichtet in Studien von einer australischen Arbeitsgruppe über Knochmarködembildung bei Jugendleistungsfußballer. Radiologen sprechen sehr häufig von Bone bruise, wenn sie im MRT das Knochenmarködem ohne begleitende Frakturlinie sehen. Doch durch von uns im frustranen Verlauf zusätzlich aber wegen der hohen Strahlenbelastung sehr selten eingesetzte Dünnschichtcomputertomographie-Aufnahmen (Knochenfenster) sehen wir inzwischen vermehrt aufgelockerte trabekulären Strukturen mit Kontinuitätsunterbrechungen (kortikospongiöse Linien) und Reparationsvorgänge und nicht zu Letzt feine kortikale Einrisse in den betroffenen Schambeinästen und in den Bereichen der Adduktorensehnenansätze. Aufgrund dieser Erfahrungen muss bei frühzeitiger Diagnosestellung eine Zwangspause für mindestens sechs Wochen erfolgen, ähnlich wie bei einer Ermüdungsfraktur am Fuß. Bei entsprechend später erkanntem Lokalbefund kann man von 12 Wochen und mehr Karenzzeit ausgehen. Es sind dabei weitere MRT-Verlaufskontrollen erforderlich.


Zwangspause

Während dieser Zwangspause darf der betroffene Sportler kein Ausgleichstraining, keine manuelle Therapie, keine Reizstrom- oder Ultraschallbehandlungen, keine Stoßwellentherapie, keine Kortisoninfiltrationen, keine Dehnübungen, keine allgemeine Physiotherapie, kein Fahrradfahren, kein Schwimmen und auch kein Training auf dem Laufband absolvieren. Diese lange Verbotsliste muss strikt eingehalten werden. Auch Tabletten mit viel Kalzium und Vitamin D3 oder andere, die die Heilung beschleunigen sollen – wir zum Beispiel verabreichen im Einzelfall Bisphosphonate intravenös monatlich über 3-5 Monate – sind mehr als umstritten, obwohl manche Endokrinologen und Osteologen uns hierzu ermutigt haben.


Medikamente

Ebenso fragwürdig ist der Sinn des Gebrauchs der großen Palette an entzündungshemmenden Medikamenten, die so oft zur Fehleinschätzung des Betroffenen selbst führt und ihn durch die Schmerzlinderung viel zu früh zum Aufbautraining ermutigt. Immer wieder werden falsche Empfehlungen von allen Seiten gegeben: die intensive Kräftigung der Rückenmuskulatur, das permanente Dehnen der Hüftadduktoren und der Aufbau der schrägen Bauchmuskulatur um Dysbalancen auszugleichen. Diese Therapie-Ansätze sind vor der Erkrankung notwendig und sinnvoll – und nach der sicheren Ausheilung, aber nicht begleitend während der Heilungsphase. Die lokale Stressirritation an den Schambeinästen muss verhindert werden, wenn man wie wir von einer Infraktion ausgeht.


Unnötige Operationen

Die langen und unterschiedlichen Ausfallzeiten der Fußballer lassen sich zumeist auf falsche Behandlung zurückführen, außerdem auf zu späte Erkennung, nicht eingehaltene Zwangspausen und die krampfhaften Versuche, mittels unterschiedlicher Methoden die Veränderung am Knochen zu beeinflussen, auch durch unnötige Operationen.

Unerlässlich ist die Differenzialdiagnostik, das heißt: Überprüfen des Rückens, des Beckens, der Beinlängen und der Leisten wegen möglicher direkter und indirekter Leistenbrüche – besonders bei jugendlichen Leistungsfußballer und Fußballerinnen, um die Ursachen vom Schambeinproblem abzugrenzen und die entdeckten Knochenmarködeme im MRT nicht fehleinzuschätzen. Selten haben wir dabei auch Nervenengpasssyndrome, urogenitale Ursachen, Osteomyelitis und Knochentumore differentialdiagnostisch beobachtet.

Beim Leistenschmerz und bei unklaren Oberschenkelzerrungen oder verdächtigem Faserriss wie bei Mario Götze im Dezember 2011, muss bei außergewöhnlicher sportlicher Belastung (61 Saisonspiele bei Götze) schon frühzeitig an eine Schambeinbeteiligung gedacht werden. Im Januar 2012 wurde bei ihm die Diagnose gestellt. Nach neuneinhalb Wochen nahm Götze das Training wieder auf, erst nach 20 Wochen erfolgte der erste Bundesligaeinsatz nach der Verletzung. Eigentlich ist es bei Götze noch gut gegangen, die Ausfallzeit liegt im Rahmen. Er war während der Fußballeuropameisterschaft 2012 jedoch nicht so fit, dass der Bundestrainer ihn von Anfang an aufstellte. Bei dem Spieler Bellarabi hat man sich zur Operation entschlossen, um die Ausfallzeit zu verkürzen, was leider nicht eingetreten ist.

Bei sehr vielen anderen Fußballern stellt sich der Heilungsverlauf der Schambeinermüdungsfraktur als ein sehr langwieriger und frustrierender Prozess dar, mit häufig bis zu anderthalb Jahren Ausfallzeit. Bis zu 7% der Leistungssportler sind davon betroffen, darunter deutlich mehr Männer als Frauen. Das Durchschnittsalter der Verletzten liegt bei knapp 30 Jahren (nicht wie bei Götze mit 19 Jahren, oder Bellarabi mit 22 Jahren). Fußballer sind generell häufiger betroffen als andere Sportler.

Eine Operation ist meiner Meinung nach nicht unbedingt notwendig.

Besteht jedoch gleichzeitig und nachgewiesen ein direkter Leistenbruch auf der gleichen Seite, kann innerhalb dessen Operation eine Einkerbung der Adduktoren, die am Schambeinast Dauerspannung erzeugen, erfolgen. Es können zusätzlich die Schambeinäste kürettiert bzw. denerviert werden, wenn der Sportler Dauerschmerzen hat und bereits im Alltag nicht zu Recht kommt. Der Trainingsbeginn darf erst erfolgen, wenn das Knochenmarködem fast komplett resorbiert wurde und damit die Stressfraktur konsolidiert ist. In Ausnahmefällen ist die die operative Einkerbung des Ansatzes des Muskulus Gracilis und Anteile der Adduktoren am Schambeinast notwendig, um die Dauerspannung zu reduzieren. In Extremfällen haben wir auch hartnäckige Ödeme im Schambeinast erfolgreich angebohrt.